Deutscher Bundestag
16. Wahlperiode
Drucksache 16/10074
31. 07. 2008
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen
und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/9956 –
(Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 25. Juli 2008 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Fragen sind in Rot unterlegt, Antworten sind in blau unterlegt)
Bundesmittel für das Lepsius-Haus und die Gedenkstätte zum Völkermord an den Armeniern
Vorbemerkung der Fragesteller
Zum Gedenken an den Völkermord des extrem nationalistischen jungtürkischen Regimes an weit über einer Million Armenier während der Kriegsjahre 1915/16 verabschiedete der Deutsche Bundestag am 15. Juni 2005 einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu „Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915“ (Bundestagsdrucksache 15/5689).
„Besonders das Werk von Dr. Johannes Lepsius, der energisch und wirksam für das Überleben des armenischen Volkes gekämpft hat, soll dem Vergessen entrissen und im Sinne der Verbesserung der Beziehungen zwischen dem armenischen, dem deutschen und dem türkischen Volk gepflegt und erhalten werden“, forderte der Bundestagsantrag.
Zum 150. Geburtstag des Pfarrers Johannes Lepsius am 15. Dezember 2008 soll in dessen früheren Potsdamer Wohnhaus eine gemeinsam vom Bund und dem Land Brandenburg finanzierte Gedenkstätte eröffnet werden. Laut einer Meldung der Berliner Morgenpost vom 21. November 2007 soll das Lepsius-Haus dafür in den kommenden Jahren rund 800 000 Euro aus der Kulturförderung des Bundes erhalten. Im Lepsius-Haus sind eine Bibliothek, eine Forschungs- und Begegnungsstätte für internationale wissenschaftliche und ökumenische Zusammenarbeit sowie die Wiederbelebung der bereits von Lepsius seit 1923 geplanten deutsch-armenischen Akademie vorgesehen. Das vom Theologie-Professor Dr. Hermann Goltz geführte Lepsius-Archiv befindet sich noch an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Der Theologe Johannes Lepsius hatte als einziger Deutscher während des Weltkrieges über den Völkermord mit seiner Schrift „Der Todesgang des armenischen Volkes“ versucht, die Deutschen aufzurütteln. Wie der Journalist und Autor Wolfgang Gust nachgewiesen hat, war Lepsius keineswegs nur der uneigennützige Anwalt der Armenier, sondern zugleich ein extrem rechtsgerichteter Antidemokrat, der eine deutsche Expansion und den Erwerb von Kolonialgebieten im Osmanischen Reich befürwortete und dafür die Armenier nutzen wollte. Die Deportationen der Armenier an sich bezeichnete er als „unbedenklich“. wenn nicht die türkische Verwaltungstechnik meist zum Tode der Deportierten führte. Auch die von Lepsius herausgegebene Deutsch-Armenische Korrespondenz nannte noch 1918 den offiziellen türkischen Deportationsbefehl „harmlos genug“. Dies korrespondierte mit der Haltung der deutschen Botschafter in der Türkei, die nicht gegen die Deportationen an sich, sondern nur gegen die Massenmorde bei ihrer Durchführung protestierten (Wolfgang Gust, „Verständnislose Auswüchse des Militarismus“, Historicum Juni 2008). 1916 schloss sich Lepsius dem extrem rechten Kreis um den führenden deutschen General Erich Ludendorff an und arbeitete für dessen Chefpropagandisten Hans von Haeften in Holland (Wolfgang Gust, „Verständnislose Auswüchse des Militarismus“, Historicum Juni 2008).
Als zu Ende des Krieges damit zu rechnen war, dass die deutsche Mitwirkung oder Zustimmung zum Völkermord bei den Pariser Friedensverhandlungen zur Sprache kommen werde, beauftragte das Auswärtige Amt Lepsius mit der Herausgabe von Dokumenten, die diesen Vorwurf entkräftigen. Die dann von Johannes Lepsius 1919 herausgegebenen Dokumente „Deutschland und Armenien 1914–1918“ war durch Auslassungen und Fälschungen so manipuliert worden, dass eine deutsche Mitverantwortung am Völkermord vertuscht wurde. Tatsächlich war die deutsche Regierung nicht nur Mitwisser der Verbrechen ihrer türkischen Verbündeten, sondern deutsche Militärs wie der im türkischen Großen Hauptquartier für das Verkehrswesen und damit auch die Bagdadbahn zuständige deutsche Oberstleutnant Böttrich hatten sogar unmittelbar etwa durch die Unterzeichnung von Deportationsbefehlen daran mitgewirkt (www.armenocide.de). Lepsius gab seinen guten Namen für die Aktenpublikation her und übernahm im Vorwort ausdrücklich die alleinige Verantwortung „für die Zuverlässigkeit des Bildes“, das die Akten „von der Haltung der deutschen Regierung in der Behandlung der armenischen Frage geben“ und damit auch für die Fälschungen, soweit er sie erkannt hatte. In den 20er Jahren rückte Lepsius weiter nach rechts. Er war ein Anhänger der antisemitischen Rassenideologie Houston Steward Chamberlains, nannte die Weimarer Demokratie ein Intermezzo und hoffte auf ein neues Großdeutsches Kaiserreich (Wolfgang Gust, „Verständnislose Auswüchse des Militarismus“, Historicum Juni 2008).
Der staatlichen türkischen Geschichtsinterpretation nahestehende Kreise haben den Vorwurf der Aktenmanipulation bereits aufgegriffen, um über eine Kritik der Person von Lepsius und seines Wirkens die Ereignisse um den Genozid insgesamt in Frage zu stellen oder zu relativieren (z. B. Cem Özgönül – Der Mythos eines Völkermordes, Köln 2006).
Die Bundesregierung als Förderin des Potsdamer Lepsius-Hauses wäre gut beraten, ihre unkritische Haltung zu Lepsius zu überdenken, um solchen Kritikern nicht ins offene Messer zu rennen und damit das Gedenken an den Armeniergenozid insgesamt zu gefährden.
1. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit Verabschiedung des Antrags auf Bundestagsdrucksache 15/5689 „Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915 – Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beitragen“ unternommen,
a) dass zwischen Türken und Armeniern durch Aufarbeitung, Versöhnen und Verzeihen historischer Schuld erreicht wird,
b) dass sich Parlament, Regierung und Gesellschaft der Türkei mit ihrer Rolle gegenüber dem armenischen Volk in Geschichte und Gegenwart vorbehaltlos auseinandersetzen,
c) dass eine internationale Historiker-Kommission gebildet wird, an der außer türkischen und armenischen Wissenschaftlern auch internationale Experten beteiligt sind,
d) dass nicht nur die Akten des Osmanischen Reiches zur Frage des Völkermordes an den Armeniern, sondern auch die von der Bundesrepublik Deutschland an die Türkei übergebenen Kopien aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes allgemein öffentlich zugänglich gemacht werden,
e) dass innerhalb der Türkei Meinungsfreiheit insbesondere auch bezüglich des Schicksals der Armenier gewährt wird,
f) dass die Türkei und Armenien ihre zwischenstaatlichen Beziehungen normalisieren?
Die Bundesregierung setzt sich in ihren Gesprächen mit der Türkei und mit Armenien regelmäßig und auf allen Ebenen für eine Aussöhnung zwischen beiden Ländern und eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen ein. Die im interfraktionellen Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (Bundestagsdrucksache 15/5689) angesprochene Armenien-Konferenz hat am 25. und 26. September 2005 in Istanbul stattgefunden. Sie stellte einen mutigen Tabubruch dar und war ein wichtiges Signal für eine allmähliche Öffnung der Diskussion in der Türkei zu dieser Frage, die sich auch im weiteren Erscheinen der armenischen Zeitschrift Agos zeigt und in Medienberichten über den Umgang mit Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches.
Die Bundesregierung begrüßt alle Initiativen, die der weiteren Aufarbeitung der geschichtlichen Ereignisse von 1915/16 dienen. Eine Bewertung der Ergebnisse dieser Forschungen sollte durch Historiker unternommen werden. Die Bundesregierung hat die Akten des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes als Quellen zugänglich gemacht. Sie können dort ohne jede Einschränkung eingesehen werden. Davon wird reger Gebrauch gemacht.
Was die Gewährung von Meinungsfreiheit in der Türkei angeht, so teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU Kommission, dass Artikel 301 und andere Bestimmungen des türkischen Strafgesetzbuches, die die Meinungsfreiheit einschränken, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Einklang gebracht werden müssen. Hinsichtlich des umstrittenen Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches („Herabwürdigung des Türkentums“) ist seit 7. Mai 2008 ein Änderungsgesetz in Kraft. Das neue Gesetz soll eine effektive Reduzierung der Anklagen nach Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuchs ermöglichen und somit zu einer deutlichen Stärkung der Meinungsfreiheit beitragen. Es soll die Einleitung neuer Verfahren wegen gewaltfreier Meinungsäußerungen zu sensiblen Themen erschweren. Von entscheidender Bedeutung für die Bewertung der Reform wird die Rechtspraxis sein, die die Bundesregierung wie bisher genau beobachten wird.
2. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit Verabschiedung des Antrags auf Bundestagsdrucksache 15/5689 „Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915 – Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beitragen“ unternommen, um die weitere wissenschaftliche Aufarbeitung der deutschen Rolle beim Völkermord zu fördern?
Entsprechend des in der Frage genannten Beschlusses des Bundestages wurden im Rahmen der Bereinigungssitzung der Haushaltsberatungen für das Haushaltsjahr 2008 im Kapitel des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (Kapitel 0405 Titel 684 72 Förderung des kulturellen Eigenlebens fremder Volksgruppen) zusätzliche Mittel in Höhe von 300 000,00 Euro zur Förderung des Lepsiushauses in Potsdam eingestellt. Die Mittel sind bis zum Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und dem Bund qualifiziert gesperrt.
3. Welche und wie viele Mittel aus dem Bundeshaushalt 2008 sind für das Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und dessen weiterer wissenschaftlicher Aufarbeitung vorgesehen?
a) Mit welchen und wie vielen Mitteln unterstützt der Bund das Potsdamer Lepsius-Haus?
Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.
b) Welche und wie viele Mittel sind außer der Förderung des Lepsius-Hauses für die Aufarbeitung des Völkermordes an den Armeniern vorgesehen?
Es sind derzeit keine weiteren Mittel für die Förderung vorgesehen.
4. Trifft die Meldung der „Potsdamer Nachrichten“ vom 4. Juni 2008 zu, wonach sich der Bund und das Land Brandenburg nicht über Details der Finanzierung der Gedenkstätte im Lepsius-Haus einigen können?
a) Wenn ja, worin bestehen diese Differenzen?
Der Bund ist mit den Beteiligten in Verhandlungen, die weitestgehend abgeschlossen sind.
b) Wenn ja, kann die Bundesregierung trotz dieser Differenzen sicherstellen, dass die Gedenkstätte Lepsius-Haus rechtzeitig zum 150. Geburtstag von Johannes Lepsius am 15. Dezember 2008 fertig gestellt sein wird?
Alle Beteiligten sind bemüht, eine schnelle Realisierung zu gewährleisten.
5. Inwieweit sind der Bundesregierung neuere Forschungserkenntnisse bekannt, wonach Johannes Lepsius nicht nur der stimmgewaltige Anwalt für die Armenier war, sondern auch ein rechtsgerichteter Antidemokrat, Antisemit und Befürworter eines Großdeutschen Kaiserreichs?
a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Johannes Lepsius während des Ersten Weltkrieges für deutsche Kolonien eintrat und in diesem Zusammenhang Kilikien und Mesopotamien als „deutsches Arbeitsgebiet“ bezeichnete, dem er durch Einwirken auf die Armenier zu dienen glaube?
b) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Johannes Lepsius sich 1916 dem extrem rechtsgerichteten Kreis um General Erich Ludendorff anschloss und in dessen Sinne Auslandspropaganda betrieb?
c) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Johannes Lepsius ein Bewunderer der Schriften des antisemitischen Rassentheoretikers Houston Stewart Chamberlain war, antisemitischen Klischees anhing, wonach „das jüdische Volk […] Mittelalter und Neuzeit als Parasit der Germanen überdauert“ habe und die Bolschewiki in Russland als „jüdische Mongolenherrschaft von Lenins ,goldener Horde‘“ bezeichnete?
d) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache dass Johannes Lepsius die Weimarer Republik als „Intermezzo“ und die Demokratie als „Knochenerweichung“ bezeichnete und für ein Großdeutsches Kaiserreich eintrat?
e) Wie bewertet es die Bundesregierung, dass Lepsius die Deportationen der Armenier an sich „unbedenklich“ nannte und die von ihm herausgegebene Deutsch-Armenische Korrespondenz 1918 den offiziellen türkischen Deportationsbefehl als „harmlos genug“ bezeichnete.
Es handelt sich um eine Frage der Geschichtswissenschaften. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien wird bei seiner Förderung darauf hinwirken, dass diese unter Berücksichtigung der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 15. Juni 2005 (Bundestagsdrucksache 15/5689) unter Einbeziehung von in-und ausländischem Sachverstand erörtert werden wird. Das Lepsius-Haus wird sich auch mit der Person des Johannes Lepsius kritisch befassen; die für das Haushaltsjahr 2008 eingestellten Mittel dienen auch diesem Zweck. Im übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.
6. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die von ihr in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/ 4959 genannte Aktenpublikation „Deutschland und Armenien 1914–1918, Potsdam 1919, von ihrem Herausgeber Johannes Lepsius im Auftrag des Auswärtigen Amtes durch Auslassungen und Fälschungen so manipuliert wurde, dass eine deutsche Mitwisser- oder Täterschaft verschleiert wurde?
a) Wenn ja, warum empfiehlt die Bundesregierung diese Aktenpublikation weiterhin – etwa in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/4959 – unkritisch zur Information der Öffentlichkeit über die deutsche Mitverantwortung am Völkermord?
Die von Johannes Lepsius 1919 herausgegebene Aktenpublikation „Deutschland und Armenien 1914–1918“ gilt als manipuliert. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage in Bundestagsdrucksache 16/4959 daher lediglich auf die Existenz der von Johannes Lepsius 1919 herausgegebenen Aktenpublikation „Deutschland und Armenien 1914–1918“ hingewiesen, die Publikation aber keineswegs empfohlen. In diesem Zusammenhang wird auf eine auf der Grundlage der im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts verwahrten Akten erarbeitete Dokumentensammlung hingewiesen: Wolfgang Gust (Hrsg.): „Der Völkermord an den Armeniern 1915/16. Dokumente aus dem Politischen Archiv des deutschen Auswärtigen Amts“, Springer Verlag zu Klampen 2005.
b) Wenn ja, hält es die Bundesregierung dann weiterhin für richtig, mit Bundesmitteln im Potsdamer Lepsius Haus einen Mann unkritisch als großen Humanisten zu ehren, der die in der Bundestagsresolution 15/5689 als „unrühmliche Rolle Deutschlands“ bezeichnete deutsche Mitschuld am Völkermord an den Armeniern vertuschen wollte?
Auf die Antwort zu Frage 5 a bis e wird verwiesen.
7. Inwieweit hält die Bundesregierung das Lepsius-Haus generell für eine geeignete Stätte zur Aufarbeitung des Völkermordes?
a) Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass bei einer weiteren Förderung des Lepsius-Hauses mit Bundesmitteln ein ausgewogenes und differenziertes Bild von Johannes Lepsius Leben und Werk nach dem aktuellen Stand der Forschung vermittelt wird?
Auf die Antworten zu den Fragen 3 b und 5 a bis e wird verwiesen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Zuge des Diskussionsprozesses das von den Fragestellern angesprochene „ausgewogene Bild“ erarbeitet wird.
b) Wieweit teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass sich die Ausstellung und Forschung sowie die Bibliothek im Lepsius-Haus wesentlich dem Völkermord an den Armeniern und weniger dem Leben von Johannes Lepsius und der christlichen Missionsarbeit widmen sollte?
Die Frage der Ausstellungs-und Forschungsschwerpunkte wird im Zuge der wissenschaftlichen Diskussion erörtert werden.
8. Hält die Bundesregierung angesichts der stark antitürkischen Einstellung von Johannes Lepsius das Potsdamer Lepsius-Haus für eine geeignete Begegnungsstätte von Armeniern und Türken im Sinne der im Bundestagsantrag 15/5689 genannten Aussöhnung der beiden Völker?
a) Wenn ja, inwieweit hält die Bundesregierung eine gemeinsame Füh
rung des Lepsius-Hauses durch Deutsch-Türken und Deutsch-Arme
nier für wünschenswert?
b) Wenn nein, welche Alternativen sieht die Bundesregierung?
Strukturelle Fragen werden im Zusammenhang mit der Konkretisierung des Auftrags des Lepsius-Hauses erörtert werden.
9. Welche konkreten Reaktionen von Seiten der Regierung, von Politikern und Nichtregierungsorganisationen aus der Türkei sowie von Seiten türkischer Migrantenvereinigungen aus der Bundesrepublik Deutschland auf die geplante Einrichtung der Völkermordgedenkstätte im Lepsius-Haus sind der Bundesregierung bekannt?
Die türkische Regierung äußerte sich besorgt über die geplante Einrichtung des Lepsius-Hauses. Weitere Reaktionen von türkischer Seite wurden an die Bundesregierung nicht herangetragen.
10. Inwieweit hält die Bundesregierung die weitere Betreuung der Aufklärung des Armenier-Völkermordes durch eine theologische Fakultät anstatt durch gesellschafts-und geschichtswissenschaftliche Fachleute in der Leitung des mit Bundesmitteln geförderten Lepsius-Hauses dem Forschungsgegentand für angemessen?
Es wird davon ausgegangen, dass alle maßgeblichen wissenschaftlichen Disziplinen an der geschichtlichen Erörterung mitwirken.
11. Inwieweit hält es die Bundesregierung für wünschenswert, den pazifistischen Schriftsteller Armin T. Wegner und den sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Karl Liebknecht öffentlich zu ehren, die während des Weltkrieges ebenso wie Johannes Lepsius bemüht waren, die Massaker an den Armeniern öffentlich bekannt zu machen und in dieser Angelegenheit bei der Reichsregierung intervenierten?
Alle Persönlichkeiten aus Deutschland, die sich in dieser Frage publizistisch und wissenschaftlich geäußert haben, werden von der Konzeption des Lepsius-Hauses erfasst.
12. Wie steht die Bundesregierung zur anlässlich der zentralen Gedenkfeier für die Opfer des Genozids an den Armeniern am 24. April 2008 in der Frankfurter Paulskirche vom Vorsitzenden des Zentralrats der Armenier in Deutschland erhobenen Forderung, „dass die Leugnung des Völkermordes endlich auch hierzulande strafrechtlich verfolgt wird“?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Aufarbeitung der tragischen Ereignisse von 1915 bis 1917 in erster Linie Sache der beiden betroffenen Länder Armenien und Türkei ist.